Es scheint Tage zu geben, an denen rein gar nichts zu gelingen scheint. Sicher kennt jeder von uns solche Tage, an denen man am Besten im Bett geblieben wäre.
Der Wecker hat nicht geklingelt, oder hat man ihn überhört? In Panik springt man aus dem Bett und tritt prompt auf einen klatschnassen Socken, den der Hund vor Wut über das ausbleibende Futter angekaut und vor das Bett geschmissen hat. Nachdem man die Kaffeemaschine in Gang geworfen hat, stürmt man das Bad. Unter der Dusche klingelt nicht etwa das Telefon, wie meist in schlechten Filmen, man stellt fest, irgendjemand aus der Familie hat das Shampoo aufgebraucht und die leere Flasche wieder an den Platz gestellt. Tropfend steigt man aus der Dusche und holt eine neue Flasche aus dem Schrank, das Bad sieht aus wie nach der Sintflut. Nachdem die Dusche einigermaßen unbeschadet überstanden wurde, wird das Bad gewischt und man freut sich auf den muntermachenden Kaffee. In der Küche steht man vor der nächsten Überschwemmung, der Kaffeefilter ist umgefallen und die ganze Soße hat sich über die Anrichte verteilt. Wieder schrubben, kein Kaffee. Schnell einen neuen Kaffee herrichten und in der Zwischenzeit fertig anziehen. T-Shirts haben sich verflüchtigt, auf der Hose prangt ein schöner dicker Fleck, der gestern noch nicht da war. Nachdem man schließlich das Haus verlassen hat, stellt man fest, dass man vergessen hat zu tanken, also mit dem Bus und Bahn zur Arbeit. Bockende Computer, verschwundene Unterlagen. Ein brüllender Chef, der doch sonst so nett ist, was ist denn heute nur los?
Was dann noch alles schief geht, darüber brauchen wir eigentlich nicht mehr reden. Es ist ein Tag, der in den Wahnsinn treibt. Nicht jeder Tag läuft so ab, darüber sollten wir froh sein. Solche Tage scheint wirklich jeder zu kennen und an manchen Tagen potenziert sich dies, wenn scheinbar jeder einen schlechten Tag hat.
Klassischerweise fällt einem bei diesem Gedankengang spontan ein eher zufälliges Datum ein, wenn es wieder einmal ein Freitag der 13. ist, allerdings kennt man in der Folklore, dem Volksglauben, noch weitere solcher Tage, die jährlich wiederkehren. Schon im Mittelalter waren Kalender im Umlauf, die bis zu 42 Tage des Jahres als absolute Unglückstage auswiesen. Wer an einem dieser Tage geboren war, hatte angeblich keine lange Lebenserwartung oder blieb sein Leben lang vom Glück verlassen. Hochzeiten an diesen Tagen waren absolut undenkbar. Sie sollten zu unglücklichen Ehen, Streit, Treulosigkeit und Armut führen. Auch begonnene Bauten an diesen Tagen würden nicht gelingen. Undenkbar war auch das Aussäen oder Anbauen von Feldfrüchten. Sie würden nicht gedeihen und jeder Bauer hielt sich an diese Anweisung. Es wurde nichts an diesen Tagen angebaut, da die Saat durch Sturm oder sonstige Unglücke verderben würde. Sogar das Haarschneiden an diesen Tagen war verpönt, diese würden niemals wieder nachwachsen! Aberglaube? Tatsache? Sicher sind einige dieser Beispiele reiner Aberglaube, dennoch kennt jeder von uns diese Tage, an denen einfach nichts gelingen will.
So galten folgende Tage im Volksglauben lange als reine Unglückstage, an denen man alle wichtigen Dinge besser nicht erledigen sollte:
- 1., 2., 6., 11., 17. und 18. Januar
- 8., 16. und 17. Februar
- 1., 12., 13. und 15. März
- 3., 15., 17. und 18. April
- 8., 10., 17. und 30. Mai
- 1., 7. und 10. Juni
- 1., 5. und 6. Juli
- 1., 3., 18. und 20. August
- 15., 18. und 30. September
- 15. und 17. Oktober
- 1., 7. und 11. November
- 1., 7. und 11. Dezember
Mancher wird jetzt den 1. April in dieser Aufzählung vermissen, denn nach christlichem Glauben bringt dieser Tag ebenfalls Unglück. Heute ist dieser Tag vornehmlich für seine Aprilscherze bekannt, aber die Ursprünge für diesen Brauch gehen auf das späte Mittelalter zurück. Man treibt an diesem Tag seine Späßchen und schickt andere in den April, um diese zu ärgern und somit sein eigenes Unglück zu mildern. Erstmals erwähnt wird dieser Brauch im Jahr 1618 in Bayern, der genaue Ursprung ist jedoch unbekannt. Leider gibt es widersprüchliche Aussagen in den Überlieferungen, so fallen auf diesen Tag allein, je nach Region, verschiedene Vorkommnisse. Es wird z.B. vermutet, Judas könnte an diesem Tag, nicht im November, geboren sein. Er könnte sich aber auch an diesem Tag erhängt haben. Auch soll der Teufel am 1. April aus dem Himmel verstoßen worden sein.
Die christliche Kirche macht bei den Pech- und Unglückstagen keine Ausnahme. So wird z.B. der letzte Tag im April als ein solcher angesehen, da Kain seinen Bruder Abel an diesem Tag erschlagen haben soll. Am ersten Montag im August sollen die Städte Sodom und Gomorra untergegangen sein und am letzten Montag im November wurde Judas geboren. Auch der 29. Juni wurde zum Unglück bringenden Tag verurteilt. Der „Peter und Paul“ Tag steht unter einem schlechten Stern, da hier zwei Herren regieren, was laut der christlichen Lehre nicht gut ausgehen kann.
Händler mieden in früheren Zeiten Reisen am 3. März, dem 17. August, am 1. und 2. September, als auch am 30. September. Sie würden keinen Profit einbringen, sondern nur Unglück. Auch reisende Privatpersonen mieden diese Tage, man konnte mit Überfällen, Achsenbrüchen von Kutschen und Krankheit rechnen, würde man die Reise an diesen „verfluchten“ Tagen antreten.
Zu den unglückbringenden Tagen gehören laut Überlieferungen auch Tage mit abnehmendem Mond, regional verschieden sind dies auch Tage mit geraden oder ungeradem Datum, besonders die ungeraden Tage sollten das Unheil richtiggehend anziehen. Die sogenannten „Siebenertage“ waren hier besonders gefürchtet: 1., 7., 17. und der 27. eines Monats. Der Februar wurde in manchen Landstrichen sogar als kompletter Unglücksmonat betrachtet. Dieser Monat hat 28 Tage und ist somit durch sieben teilbar. Da die sieben ohnehin schon als Unglückszahl galt, war dieser Monat im Glauben des Volkes kein guter. Mit Recht, wenn man sich die Geschichte einmal ansieht. Die Wintermonate waren damals streng und kalt, keine Zentralheizungen in Burgen oder Hütten und die Erkältungskrankheiten häuften sich in den kalten Monaten. Viele der Menschen starben nach langem Siechtum im Januar und Februar und das Volk wurde vom Unglücksmonat nur noch überzeugter.
Einige Beispiele großer Unglückstage scheinen diesen Volksglauben zu bestätigen.
- 8. Februar 1902: Vulkanausbruch auf Martinique fordert 26.000 Todesopfer.
- 7. Juni 1903: Untergang des Dampfers „Liban“, 122 Tote.
- 1. Juli 1904: Untergang des Dampfers „Norge“, 600 Tote.
- 18. April 1906: Das Erdbeben in San Francisco fordert Tausende von Toten und vernichtet 28.000 Häuser im Wert von 105 Millionen Dollar. Über eine Viertelmillionen Menschen werden obdachlos.
- 15. September 1906: Erdbeben in Nordsizilien mit vielen Opfern.
- 15. Oktober 1907: Die Stadt Fontanet in den USA wird durch die Explosion einer Pulverfabrik fast vollständig zerstört.
- 11. November 1908: 306 Todesopfer bei einem Bergwerksunglück in Westfalen.
- 7. November 1908: Untergang des japanischen Dampfers „Taish“, 150 Opfer.
- 7. Dezember 1910: Ausbruch der Lungenpest in der Mongolei mit unzähligen Toten.
- 7. Juni 1911: Vulkanausbruch des Coliman fordert 1450 Tote.
- 15. April 1912: Untergang der Titanic mit 1417 Toten.
- 3. August 1914: Mobilmachung in Deutschland, der Erste Weltkrieg beginnt.
- 2. Januar 1921: Der Untergang des spanischen Dampfers „Santa Isabel“ fordert 244 Todesopfer.
- 13. März 1928: Ein Dammbruch bei Los Angeles fordert über 1000 Opfer.
- 17. Oktober 1931: Ende der Choleraepidemie in Persien. Die Krankheit forderte 1203 Tote.
- 11. November 1932: Tornados und eine Flutwelle zerstören die Stadt Santa Cruz del Sur auf Kuba. Über 1000 Opfer.
- 30. Mai 1935: Erdbeben in Britisch-Belutschistan, 26.000 Opfer.
Diese Liste ließe sich beliebig mit Unglücken erweitern, die an entsprechenden Tagen geschehen sind. Fakt ist jedoch, dass auch außerhalb dieser als Unglückstage bezeichneten Tage schwere Unglücke und Katastrophen stattfanden. Rein statistisch sind diese nicht überpräsent gegenüber anderen Tagen.
Allerdings lässt sich dies nur auf große Unglücke anwenden, die auch in den Medien präsent sind und entsprechende Aufzeichnungen existieren. Im Familiären und persönlichen Umfeld haben wir objektiv oftmals einen anderen Eindruck. Man sollte Tage, an denen vermeintlich alles schief geht, vielleicht doch einmal genauer betrachten. Vielleicht hat man ja an einem verfluchten Datum Geburtstag, man verschläft an einem Unglückstag oder man hat einen Auffahrunfall an einem Datum, an dem man nicht Reisen sollte. Alles Aberglaube, oder steckt doch mehr dahinter? Es bleibt immerhin die Frage, wie unsere Ahnen auf diese Daten und Tage kamen? Sie müssen einen Grund gehabt haben, der nicht nur dem christlichen Glauben entspringt, um diese Tage zu brandmarken. Fragen auf die wir vielleicht niemals eine Antwort finden werden, genau so wenig wie auf die Frage, warum an manchen Tagen wirklich alles schief geht…
Autor: Martina Lohr
Auszug aus Artikel im Magazin Der einsame Schütze, Dezember 2001
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