Krankheiten und Seuchen: Englischer Schweiß

Englischer Schweiß
Englischer Schweiß
Publikation von Euricius Cordus, 1529

Seit Jahrtausenden raffen immer wieder Seuchen Millionen von Menschenleben dahin. Unter den schlimmsten Krankheiten finden wir die Pest, Pocken und mitunter auch gewöhnliche Grippeviren. Zwischen 1485 und 1551 kursierte in Europa eine tödliche Seuche, die unter dem Namen „Englische Schwitzkrankheit“ oder auch „Englischer Schweiß“ mit Millionen von Opfern in die Geschichtsbücher einging. Doch was war dies für ein Erreger, den selbst die moderne Wissenschaft nicht identifizieren kann?

Handelte es sich um einen extrem tödlichen Grippevirus, ähnlich jenem der „Spanischen Grippe“ von 1918/19 (H1N1)?

„Im Jahre des Herrn 1485“, schrieb im 16. Jahrhundert der britische Arzt John Caius, sei England von einer Krankheit heimgesucht worden, die „manche beim Öffnen ihrer Fenster tötet und andere, während sie mit Kindern vor ihrer Haustür spielen – mitunter in einer, oft innerhalb von zwei Stunden“. Laut Caius begann die Krankheit mit hohem Fieber und heftigen Gliederschmerzen, denen starke Schweißausbrüche folgten. Dann traten Übelkeit, Erbrechen, Herzrasen, Kopfschmerzen und Lungenbeschwerden auf. Eine Zeitlang schienen die Opfer geistig verwirrt zu sein, dann trat eine plötzliche Müdigkeit ein. Vor Eintritt des Todes verfielen die Kranken in tiefe Lethargie.

In England nannte man dieses tödliche Leiden „Schwitzkrankheit“. Am 8. August des Jahres 1485 schleppten es Truppen von Heinrich VII. in London ein. Die Epidemie beendete die Rosenkriege und forderte in nur zwei Monaten tausende Todesopfer, unter ihnen der Oberbürgermeister Londons, sein Nachfolger und sechs Ratsherren der Stadt. Vergebens verordneten die Ärzte die zur damaligen Zeit gängigen Medikamente wie Tabak, Kalkmilch und Abführmittel, oder führten bei den Kranken Aderlässe durch, welche den Tod wohl eher beschleunigten.

Die Krankheit breitete sich rascher aus, als dass die Totengräber die Opfer bestatten konnten. Städte, die nur die Hälfte ihrer Bewohner verloren, konnten sich über den glimpflichen Ablauf der Krankheit glücklich schätzen.

Als der „Englische Schweiß“, wie man die Krankheit auf dem europäischen Kontinent nannte, Deutschland erreichte, raffte er dort in nur fünf Tagen 15.000 Menschen dahin. Im Gegensatz zu vielen anderen Krankheiten verlieh diese den Opfern augenscheinlich keine Immunität, so dass diese immer wieder erkrankten. Viermal kehrte die Epidemie nach England zurück, bis sie im Jahre 1551 auf unerklärliche Weise verschwand und nicht erneut auftauchte. Einige Wissenschaftler gehen davon aus, die Seuche habe sich selbst ihrer Existenzbasis beraubt. Da der Erreger seine Wirte so rasch umbrachte, konnte er sich selbst nicht schnell genug vermehrt haben, um zu überleben.

Bis zum heutigen Tage ist weder die genaue Herkunft des Erregers noch die Art der Erkrankung bekannt, man kann nur Vermutungen aufgrund der alten Aussagen über den Verlauf der Krankheit anstellen. Vermutlich wird man niemals hinter das Geheimnis dieser Krankheit kommen, da es keine Stammzellen und Wirte mehr geben dürfte. Dennoch zeigt diese Krankheit, dass wir immer mit einem neuen tödlichen Krankheitserreger rechnen müssen.

Auszug aus einem Beitrag im Magazin Der einsame Schütze, 2000

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