Während des Mittelalters zog der Schwarze Tod über Europa hinweg und forderte Millionen an Toten. Die Pest entvölkerte ganze Landstriche, manche Dörfer wurden bis zur letzten Seele ausgelöscht. Hervorgerufen wird diese tödliche Krankheit durch das Yersinia pestis Bakterium, das im Grunde genommen eine leichte Erkrankung von Nagetieren, insbesondere Ratten, zur Folge hat. Erst durch ein winziges Insekt, den Rattenfloh, wurde diese Krankheit auf den Menschen übertragen und erwies sich als eine der tödlichsten Seuchen aller Zeiten. Aus diesem Erreger entstanden vier verschiedene Krankheitssymptome, die als vier Pesterkrankungen klassifiziert sind:
- Beulenpest
- Lungenpest
- Pestsepsis
- Abortive Pest
Die Beulen- oder auch Bubonenpest hat eine Inkubationszeit von etwa 2 – 10 Tagen. Die Inkubationszeit bezeichnet den Zeitraum von der Infektion bis zum Ausbruch der Krankheit. Nahe der Stelle an der der Floh zugebissen hat, bilden sich blutig-eitrige Infektionen der Lymphknoten. Diese zersetzen sich mit der Zeit und der Krankheitsverlauf ist äußerst schmerzhaft. Die Krankheit wird von hohem Fieber, extremen Schüttelfrost, Durchfall und Erbrechen begleitet. Die Sterblichkeit bei dieser Pestart liegt bei etwa 25 – 50%, aber nicht durch den Erreger hervorgerufen, sondern meist durch eine Sepsis (Blutvergiftung) durch die beschädigten Lymphknoten, die zum Abwehrsystem des Körpers gehören. Die Lymphknoten können bei dieser Pestart zu enormer Größe anschwellen. Darum heißt diese auch im Volksmund Beulenpest. Das Wort Bubonenpest bezieht sich auf die Leistengegend (griechisch Bubo).
Die Lungenpest ist meist eine Folgeerscheinung der Beulenpest. Auch wird sie durch bereits infizierte Menschen als abgewandelte Form der Beulenpest durch Husten oder Niesen weitergegeben. Durch diese Art der Tröpfcheninfektion erkrankt der kontaktierte Mensch nicht an der eigentlichen Pestart, sondern an dieser Unterart der Krankheit. Aber auch die Lungenpest muss man als eigenständige Pestart ansehen, denn sie kann ebenfalls durch Rattenflöhe übertragen werden, die mit dem mutierten Erreger in Berührung kamen. Die Inkubationszeit bei dieser Krankheit ist äußerst kurz, 1 – 2 Tage genügen dem Erreger bis zum Ausbruch der Krankheit. Der Krankheitsverlauf beginnt hier ziemlich stürmisch. Der Infizierte leidet an enormer Atemnot und läuft durch den Sauerstoffmangel blau an. Auch stellt sich Husten ein. In diesem Stadium der Krankheit ist eine gesicherte Diagnose allerdings noch schwierig. Viele Fehldiagnosen lauten am Anfang Lungenentzündung, die aber keine Isolation des Kranken erfordert – im Falle einer tatsächlichen Infektion mit Lungenpest könnte dies zu einer unkontrollierten Ausbreitung der Krankheit führen. Wurde die Lungenpest zwischen dem 2. und 5. Tag noch immer nicht richtig behandelt, führt sie unvermeidbar zum Tode. Es entsteht ein Lungenödem, so dass sich die Lungen mit Flüssigkeit anfüllen, was zu einem totalen Kreislaufversagen führt. Die Lungenpest ist für die epidemische Ausbreitung der Pest im Mittelalter verantwortlich. Ein Reisender infizierte damit ganze Städte. In diesen infizierten Gebieten infizierten sich durch die Tröpfcheninfektion weitere Personen, die weiterzogen und so diese tödliche Seuche verbreiteten.
Die abortive Pest hingegen ist eine ziemlich milde Variante der Pesterkrankung. Der Krankheitsverlauf äußerst sich nur durch leichtes Fieber und eines entzündeten Lymphknotens in der Leistengegend. Auch hier ist der Erreger der Krankheit nur durch einen bakteriologischen Test herauszufinden. Aber diese Variante der Pest verläuft meist nicht tödlich und die Symptome klingen nach einiger Zeit wieder ab.
Mit der Erkenntnis, dass diese Krankheit mit der Verbreitung von Ratten im Mittelalter und mangelnde Sauberkeit einherging, war die erste Möglichkeit zur Bekämpfung dieser Seuche gefunden. Im späten 17. Jahrhundert begann man systematisch damit die Populationen von Ratten zu bekämpfen. Durch die Dezimierung der Rattenpopulation wurden dementsprechend weniger Menschen durch den Rattenfloh befallen und der unkontrollierten Verbreitung der Seuche konnte erstmals Einhalt geboten werden. Später entdeckte man die Möglichkeiten der Schutzimpfung durch abgestorbene Pesterreger, so dass man eine erste erfolgreiche Waffe gegen diese tödliche Krankheit besaß.
Im 20. Jahrhundert konnten bereits erkrankte Personen durch die medikamentöse Gabe von Antibiotika wie Streptomycin, Chlorampenicol, Sulfadiazin und Tetrazyklinen geheilt werden und die Pest gilt heute zumindest in Europa als ausgerottet. Allerdings existieren auch heute noch einige Gebiete auf der Welt, in denen es hin und wieder zu Pesterkrankungen kommt. So sind Teile von Südamerika, Afrika und Indien besonders aktive Zonen. In Indien kam es im Jahre 1994 zu einem begrenzten Ausbruch der Krankheit und forderte dort etliche Todesopfer. Mittlerweile sind allerdings erste Fälle von Pesterkrankungen bekannt, in denen die herkömmlichen Antibiotika nicht mehr als Heilmittel wirksam sind, da der Erreger gegen diese Mittel resistent wurde. So wurde im Jahre 1997 ein Patient auf Madagaskar bekannt, der sich mit Beulenpest infiziert hatte, aber nicht auf die verabreichten Antibiotika ansprach. Da die Pest in Europa und Nordamerika als ausgerottet gilt, werden seit Jahrzehnten keine Schutzimpfungen mehr durchgeführt. Nur noch bestimmte Personengruppen (z.B. medizinische Helfer) erhalten eine Prophylaxe-Impfung, wenn sie in akute Pestausbruchsgebiete entsendet werden.
Während des Kalten Krieges führten zudem amerikanische und sowjetische Wissenschaftler umfangreiche militärische Testprogramme mit dem Pesterreger durch, um aus diesem eine wirksame biologische Waffe zu entwickeln. Hierbei wurden ganze Waffensysteme entwickelt, die bei einem Einsatz zu einer massiven Verbreitung dieser Seuche führen sollen. Dazu wurde der Erreger teilweise abgeändert, um eine besonders schnelle und tödliche Wirkung zu erzielen. Noch heute existieren mehrere Tonnen an biologischen Kampfstoffen, die auf dem Pesterreger aufbauen. Für eine gezielte Verbreitung standen mehrere Einsatzvarianten zur Verfügung.
Pestbomben
Dies ist die einfachste und verbreitetste Form der biologischen Pestwaffen. Diese Bomben können einfach neben konventionellen Explosivbomben durch Flugzeuge abgeworfen werden. Während des Aufpralls explodiert der vordere Kopf dieser Bombe und zerstört dabei einen unter hohem Druck befindlichen Behälter, in dem sich ein Aerosol befindet, das massiv mit den Erregern angereichert ist.
Artilleriewaffen
Eine andere Variante der obigen Pestbomben sind Granaten, die durch Geschütze in feindliche Stellungen gefeuert werden können. Die Funktion ist dieselbe wie bei den Bomben.
Sprühwaffen
Sprühwaffen sind in ihrer Anwendung mannigfaltig einsetzbar. So können zum Beispiel Soldaten mit einem Sprühbehälter auf dem Rücken bestimmte Gebiete mit dem Erreger erreichen und diesen in die Umwelt freisetzen. Auf der anderen Seite können die Erreger über Sprühflugzeuge/Helikopter auf großen Flächen verteilt werden.
Terrorwaffen
In diese Kategorie fallen kleinste Waffen, die man z.B. als Parfümflaschen getarnt unter die Bevölkerung mischt. Man infiziert anfangs nur wenige Personen, vorzugsweise in der Zivilbevölkerung, die dann innerhalb kürzester Zeit für eine lokale Epidemie sorgen, bei der Tausende an Opfern zu beklagen wären. Bis die örtlichen Behörden die Gefahr erkennen, ist es bereits für Gegenmaßnahmen zu spät.
Für alle vorgestellten Anwendungen wird der Erreger der Lungenpest verwendet, da er direkt über die Atmung aufgenommen wird und innerhalb weniger Stunden erste Erkrankungserscheinungen aufweist. Während der ersten Zeitspanne wird man von Erkältungserkrankungen und Lungenentzündungen ausgehen, bis sich nach wenigen Tagen die Todesfälle häufen. Bis man die nötigen Gegenmaßnahmen einleiten könnte, würde sich die Krankheit wild unter der Bevölkerung der betroffenen Region verbreiten.
Im Oktober des Jahres 2001 konnte man am Wellcorne Trust Sanger Center in Cambridge (England) aufgrund von intensiven Genanalysen und Genvergleichen herausfinden, dass sich das gefährliche Yersinia pestis Bakterium erst vor rund 1500 Jahren aus einem relativ harmlosen Grippevirus entwickelt hatte, welches vormals nur für Magen-Darm-Beschwerden sorgte.
In Mitteleuropa ist der Ausbruch einer erneuten Seuche ohne kriegerische Einwirkung recht gering, jedoch nicht ganz auszuschließen. So kann die Krankheit innerhalb weniger Stunden durch Flugpassagiere eingeschleppt werden, die aus einem Infektionsgebiet kommen. Sollte dies nicht rechtzeitig erkannt werden, so ist eine lokale Infektionswelle möglich. Jedoch wird die Pest ganz sicher in Mitteleuropa nicht mehr solche Auswirkungen haben, wie sie es im Mittelalter tat. Auf der anderen Seite könnte diese Seuche jedoch in armen Ländern bedrohliche Ausmaße annehmen, da dort das nötige Geld für entsprechende Gegenmaßnahmen und Impfstoffe fehlt.
Autor: Martina Lohr
Quelle: Der einsame Schütze – Ausgabe 03/2003, S. 38-40
Siehe auch:
Das Schweinegrippe-Komplott
Das Schweinegrippe-Komplott (eBook)